Kraniopharyngeom
Was ist ein „Kraniopharyngeom“?
Ein Kraniopharyngeom ist ein seltener, gutartiger Tumor im Bereich der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), er kann aus Zysten und festem Gewebe bestehen. Am häufigsten treten Kraniopharyngeome zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr auf. Das Kraniopharyngeom entsteht aus Gewebe dessen Entwicklung schon embryonal, also vor der Geburt, gestört wird. Es handelt sich also nicht um eine bösartige Geschwulst, sondern um eine Fehlbildung. Aufgrund der Lage des Kraniopharyngeoms zu wichtigen Hirnstrukturen wie Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und Hypothalamus ist eine Behandlung trotzdem wichtig. Diese Strukturen sind die zentralen „Steuerungssysteme“ im Gehirn und verantwortlich für die Bildung vieler Hormone, die Wachstum, Gewichtsregulation, Pubertätsentwicklung und Flüssigkeitshaushalt bestimmen. Zudem liegt der Tumor in Nähe des Sehnervs, wodurch das Sehen eingeschränkt werden kann (durch Druck, den der Tumor auf den Sehnerv auswirkt), es kann zur „Doppelbildern“ oder einem „Gesichtsfeldausfall“ kommen.
Was heißt das für mein Kind und mich?
Im Verlauf der Diagnosestellung werden unterschiedliche Untersuchungen und Tests durchgeführt, um den Verdacht zu bestätigen. Dazu zählen verschiedene Untersuchungen des Blutes, um die verschiedenen Laborwerte zu bestimmen. Zu den Standarduntersuchungen zählen auch MRT- und CT-Aufnahmen des Kopfes. Diese sind wichtig, da mit Hilfe der Bilder die Verdachtsdiagnose weiter bestätigt werden kann. Anhand der Lage und Struktur des Tumors können relativ sichere Aussagen zur Entität gemacht werden. Eine 100%ige Bestätigung der Diagnose kann allerding nur durch eine Biopsie des Tumors erfolgen. Entweder erfolgt eine Tumorbiospie zur Sicherung der Diagnose oder es erfolgt ein großer operativer Eingriff zur Tumorentfernung und/oder zur Entlastung von Zysten, die sich gebildet haben können. Welche Art der Tumorentfernung erfolgt, wird aufgrund der Bilder, die die Lage des Tumors zeigen entschiede. Es gibt verschieden Arten von Zugangswegen, die genutzt werden können, um den Tumor zu entfernen. Entweder erfolgt eine sogenannte „transsphenoidale/transnasale“ oder eine „transcranielle“ Operation. Bei der ersten Variante wird „durch die Nase“ operiert. Der Patient hat nach der Operation keine sichtbare Operationsnarbe. Diese Variante ist allerdings nicht immer anwendbar. Besonders bei kleinen Tumoren aber sehr gut geeignet. Die transcranielle Operation erfolgt über die Eröffnung der Schädeldecke. Hier orientiert sich der Zugang je nach Tumorlage auf die linke, rechte oder frontal Kopfseite.
Nach einer ersten erfolgreichen Operation ist es möglich, dass noch ein Tumorrest im Kopf verbleibt. Dies geschieht, um die Hirnstrukturen zu schonen und zu erhalten. Aber natürlich birgt so ein Rest immer das Risiko, dass der Tumor, auch nach mehreren Jahren, wieder anfängt zu wachsen. Dann muss abgewogen werden, was der nächste Schritt ist. Hier stehen wir gerne beratend zur Seite. Mögliche Optionen sind:
– abwartendes Verhalten und engmaschige MRT-Kontrollen
– eine erneute OP oder
– eine Bestrahlung (hier Verweisen wir gerne auf die geschätzten Kollegen im Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen, Prof. Dr. Beate Timmermann
Welche Probleme können auftreten?
Auch wenn wir sagen, dass das Kraniopharyngeom ein gutartiger Tumor ist, der gut behandelt werden kann; ist anders als bei anderen gutartigen Tumoren nach der OP die Behandlung nicht abgeschlossen und der Patient gesund. Durch die oben beschriebene Lage des Tumors ergeben sich auch nach OP noch gesundheitliche Einschränkungen bei den Patienten. Denn auch wenn die Ärzte alles daransetzten, den Tumor möglichst schonend zu entfernen, gibt es häufig nach OP operationsbedingte Verletzungen der wichtigen Hirnstrukturen oder des umliegenden Gewebes. Der aktuelle Stand der Forschung sieht eine möglichst schonende Operation unter Wahrung der wichtigen Hirnareale vor aber auch schon bedingt durch den Tumor können die Hirndrüsen ihre „Arbeit“ auch nach der OP nicht wieder normal aufnehmen. Daraus resultiert die, meist lebenslange, Einnahme von verschiedenen Medikamenten/Hormonen. Diese Medikamente regulieren die weiteren Hormonprozesse im Körper und sorgen dafür das alles „rund läuft“.
Viele Patienten mit Kraniopharyngeom entwickeln früh nach der Operation eine Adipositas. Diese heißt in der Fachsprache „hypothalamische Adipositas“. Denn im Gegensatz zu anderen Menschen (die nicht aufgrund einer Tumorerkrankung eine Adipositas entwickeln), die durch eine strikte Diät und ein gutes Bewegungs- und Sportprogramm abnehmen und das neue Gewicht, bei Einhaltung der neuen Gewohnheiten, halten können, trifft dies nicht auf Patienten zu, bei denen der Hypothalamus geschädigt ist. Für diese Patienten ist es deutlich schwieriger nachhaltig abzunehmen. Auch die Motivation zur Bewegung ist oft bei Patienten mit Kraniopharyngeom gestört. Nach unserer Erfahrung können Reha-Aufenthalte ein wichtiges Instrument sein, mit der neuen Situation und der deutlichen Gewichtsveränderung umzugehen (hier verweisen wir gerne an Frau Dr. Waldeck und die Edelsteinklinik in Idar-Oberstein.
Andere Maßnahmen, wie z. B. bariatrische Operation/Magenbanding sollten erst nach umfassender Klärung und Beratung in einem interdisziplinären Team als Option in Betracht gezogen werden.
Der Einsatz von bestimmen Medikamenten zur Gewichtsreduktion zeigt bei einigen Patienten gute Erfolge. Leider sind diese Medikamente nicht oder nur in Ausnahmefällen für den Einsatz bei Kraniopharyngeom-Patienten zugelassen. Aus diesem Grund muss auch hier jeder Fall einzeln betrachtet werden. Wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden, kann eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragt werden. Hier unterstützen wir Sie im Bedarfsfall gerne.
Wie geht es jetzt weiter?
Für uns ist ein wichtiger Baustein die Lebensqualität von „Kranios“. Diese ermitteln wir mithilfe von Fragebögen (PedQoL, PedsQol, FMH). Patienten, die in der Kraniopharyngeom 2007 Studie oder im Kraniopharyngeom Registry 2019 erfasst sind, erhalten einmal jährlich diese Bögen. Mittels dieser Bögen ermitteln wir die Lebensqualität von Patienten. Neben den Patienten erhalten auch die Eltern Fragebögen. So können wir feststellen, wie die „Kranios“ sich und ihre Lebenssituation einschätzen und wie dies von engen Angehörigen gesehen wird. Die Ergebnisse veröffentlichen wir regelmäßig in unseren Publikationen. Dort werden z. B. verschiedene Untergruppen der „Kranios“ zu einer bestimmten Fragestellung miteinander verglichen.
Neben der Teilnahme an diesen Befragungen bieten wir allen Patienten die Teilnahme an verschieden Projekten an. Diese Projekte verfolgen zwei Ziele: Zum einen sollen Sie dem Patienten direkt einen Nutzen bringen, z. B. durch die motivierte Aktivitätssteigerung. Zum anderen wollen wir so für Patienten, die in Zukunft an einem Kraniopharyngeom erkranken, bereits zu Beginn Lösungsansätze bieten können, z. B. die Adipositas besser in den Griff zu bekommen.
Wir bieten in Kooperation mit Frau Dr. Jale Özyurt von der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg verschiedene Projekte an. Bei Interesse oder für weitere Informationen können Sie sich gerne bei uns melden.
Wer sind wir?
Julia Beckhaus
Wissenschaftliche Studienassistentin
Weitere Informationen finden Sie auf folgenden Seiten:
– Glandula/Dr.Maus
– DKKS
– GPOH
– Selbsthilfegruppe
– Leitlinen